Reale Politik darf man nicht mit Gaming vermischen. Themen, die sich wie zwei Pole abstoßen, so könnte man denken. Aber woher kommt dieser Gedanke? Und vielleicht sollten viel öfter den Diskurs suchen, statt eine Meinung totzugraben, auch für das Wohl unserer Szene.
Eine Kolumne von Toshio Riko
Politik und Gaming. Das passt doch nicht zusammen. Ein Gaming-Redakteur, ob studiert oder nicht, hat sich, so häufig die überschallende Meinung, aus dem Themengebiet der aktuellen Weltereignisse herauszuhalten. Wirtschaft, Politik, das reale Leben – nichts für ihn. Warum eigentlich?
Ein beliebtes Argument ist, dass man so in einem Beitrag nur die verschiedenen politischen Meinungen aufkochen lässt und eine Debatte um den eigenen politischen Standpunkt entfacht, statt um das eigentliche Thema. Oder aber als Gaming-Journalist hat man keine Befugnis, auch solche Themen anzusprechen. Schließlich ist man auf dem Gebiet nicht bewandert. Wenn man über etwas Politisches schreiben möchte, möge man doch zu einer anderen Zeitschrift gehen und sich für das Politik-Ressort bewerben.
Besonders brenzlig wird es bei tagesaktuellen Themen. Ob man nun Trump, Russland, die Flüchtlingsfrage oder andere Themen nimmt. Hier sind die Meinungen gespalten. Und natürlich hat ein Beitrag auf einer redaktionellen Seite, die sich mit Games beschäftigt, über solche Themen nichts verloren. Doch es gibt Ausnahmen, die generell gültig sind. Denn ob man Journalist im Bereich Gaming, Technik, Politik oder Sport ist, das schließt in keiner Weise aus, dass man sich nicht auch in anderen Themen auskennt und regelmäßig dort auch tiefgreifender informiert. Dies gilt besonders für studierte Journalisten, welche sich im Studium sowieso ein allumfassendes Wissen aneignen.
Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion der Meinungen um den richtigen Weg. Aber nicht nur Demokratie lebt davon, so ziemlich jedes Thema tut es.
Bestes Beispiel für ein aktuelles Thema ist der tragische Amoklauf in Florida. Vorerst bietet dieser Fall natürlich keinen Anlass, auf einer Gaming-Seite darüber zu berichten. Doch als Trump besonders die Gamer und gewalttätige Medien die Schuld gab, ist es eigentlich eine Pflichtsache, sich darüber zu äußern - auch auf einer Seite wie dieser. Denn wir dürfen es nicht auf uns sitzen lassen, dass man uns anfeindet, als den Buhmann darstellt, obwohl die Schuld bei wem ganz anderen liegt.
Aber eben wegen der Grundeinstellung, ein politisches Thema oder ein Meinungsbeitrag über eine politische Person habe "hier" nichts verloren, war mir durchaus mulmig, als ich meinen Kommentar verfasste zum Thema Trump. Wird man mir in den Kommentaren auch vorwerfen, mich dazu nicht äußern zu dürfen? Wird eine Debatte abseits des eigentlichen Themas entstehen?
Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion der Meinungen um den richtigen Weg*. Aber nicht nur Demokratie lebt davon, so ziemlich jedes Thema tut es. Es gibt durchaus einen Grund, warum Entwickler immer häufiger die Spieler schon früh in der Entwicklung mit einbeziehen. Viele Meinungen treffen aufeinander, für den Entwickler entsteht eine Wand voller verschiedener Ansichten. Man sieht, was andere aus einem völlig anderen Blickwinkel von dem Spiel halten. Und aus diversen Ideen lässt sich ein Kompromiss finden, der (hoffentlich) alle Spieler zufrieden stellt. Sozusagen die goldene Mitte finden.
Schweigen ist keine Option
Bleibt man in seiner Blase - in diesem Falle in seinem Büro, wo das Spiel entwickelt wird - und lässt keine anderen Meinungen zu, so kann, muss aber nicht, ein Spiel entstehen, welches vielleicht in den eigenen, durchaus auch etwas voreingenommenen Augen, ziemlich gut ist, aber bei dem Kunden für wenig Begeisterung sorgt.
Ebenso ist es auch in der Politik. Und bei Millionen, Milliarden Menschen kann und darf man nicht davon ausgehen, dass alle geteilter Auffassung über ein Thema sind. Welche Gründe sie auch haben. Man muss aufeinander zugehen und gemeinsam eine Lösung finden. Dabei darf man auch mal streiten, diskutieren und die Fetzen fliegen lassen. Aber am Ende muss man einen Weg finden, der für die gesamte Gemeinschaft von Nutzen ist. Nicht nur für einen Einzelnen. Doch das Vergessen nicht nur Politiker, weshalb wir eine unfassbar große Politikverdrossenheit in Deutschland haben - sondern auch der Demos in der Demokratie. Der Mensch. Der Wähler.
Meinungen sind unterschiedlich, aber deswegen möglichst Meinungskonform zu formulieren? Bloß keinen aufstacheln und vor allem niemanden gegen sich aufbringen? Das ist Verstecken vor einer vielleicht unbequemen Wahrheit. Oder der Wunsch als Leser, bloß in seiner Filterblase zu verharren. Von der "Welt da draußen" nichts zu wissen. Doch hat die "Welt da draußen" zu viel Einfluss auf unsere eigene, virtuelle Welt, als dass Schweigen eine Option ist. Dabei kann eine Diskussion sogar wertvolle und neue Informationen für einen zutage bringen. Eine neue Erkenntnis, vielleicht die Demut einzugestehen, dass man falsch lag. Aber auch die Gewissheit, gemeinsam etwas gelöst zu haben.
Und wenn nun zum Beispiel ein Kollege bei der GameStar in einer Far Cry 5 Preview das Thema Trump erwähnt, dann ist das mehr als berechtigt. Denn dass Far Cry 5 eindeutig starke gesellschaftliche Kritik übt, ist nicht zu übersehen. Und dann haben wir auch noch den Amoklauf in Florida, welcher die Diskussion um eine Verschärfung des Waffenrechts neu entfacht. Dann ist es nicht falsch, es zu erwähnen. Es wäre vielmehr falsch, es nicht zu erwähnen.
Dabei ist auch unerheblich, welche persönliche Meinung man dazu trägt. Vielleicht bist genau Du der Meinung, dass eine Entschärfung des Waffenrechts einen positiven Effekt hätte. Oder aber Du bist der Meinung wie die der Schüler, dass man deutlich striktere Gesetze umsetzen müsste. Und vielleicht ist dann genau jetzt der richtige Zeitpunkt, darüber zu diskutieren. Denn jeder Amoklauf wird auch immer einige Politiker den Finger auf unsere Szene richten lassen und sagen "Ihr seid schuld, eure gewalttätigen Spiele sind schuld. Ihr bringt Mörder hervor". Und keiner von uns beiden will das. Wir sind am Ende alle Gamer und Menschen.
*Abwandlung des Zitates von Richard von Weizsäcker: "Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg."
Eine Kolumne von Toshio Riko
Politik und Gaming. Das passt doch nicht zusammen. Ein Gaming-Redakteur, ob studiert oder nicht, hat sich, so häufig die überschallende Meinung, aus dem Themengebiet der aktuellen Weltereignisse herauszuhalten. Wirtschaft, Politik, das reale Leben – nichts für ihn. Warum eigentlich?
Ein beliebtes Argument ist, dass man so in einem Beitrag nur die verschiedenen politischen Meinungen aufkochen lässt und eine Debatte um den eigenen politischen Standpunkt entfacht, statt um das eigentliche Thema. Oder aber als Gaming-Journalist hat man keine Befugnis, auch solche Themen anzusprechen. Schließlich ist man auf dem Gebiet nicht bewandert. Wenn man über etwas Politisches schreiben möchte, möge man doch zu einer anderen Zeitschrift gehen und sich für das Politik-Ressort bewerben.
Besonders brenzlig wird es bei tagesaktuellen Themen. Ob man nun Trump, Russland, die Flüchtlingsfrage oder andere Themen nimmt. Hier sind die Meinungen gespalten. Und natürlich hat ein Beitrag auf einer redaktionellen Seite, die sich mit Games beschäftigt, über solche Themen nichts verloren. Doch es gibt Ausnahmen, die generell gültig sind. Denn ob man Journalist im Bereich Gaming, Technik, Politik oder Sport ist, das schließt in keiner Weise aus, dass man sich nicht auch in anderen Themen auskennt und regelmäßig dort auch tiefgreifender informiert. Dies gilt besonders für studierte Journalisten, welche sich im Studium sowieso ein allumfassendes Wissen aneignen.
Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion der Meinungen um den richtigen Weg. Aber nicht nur Demokratie lebt davon, so ziemlich jedes Thema tut es.
Bestes Beispiel für ein aktuelles Thema ist der tragische Amoklauf in Florida. Vorerst bietet dieser Fall natürlich keinen Anlass, auf einer Gaming-Seite darüber zu berichten. Doch als Trump besonders die Gamer und gewalttätige Medien die Schuld gab, ist es eigentlich eine Pflichtsache, sich darüber zu äußern - auch auf einer Seite wie dieser. Denn wir dürfen es nicht auf uns sitzen lassen, dass man uns anfeindet, als den Buhmann darstellt, obwohl die Schuld bei wem ganz anderen liegt.
Aber eben wegen der Grundeinstellung, ein politisches Thema oder ein Meinungsbeitrag über eine politische Person habe "hier" nichts verloren, war mir durchaus mulmig, als ich meinen Kommentar verfasste zum Thema Trump. Wird man mir in den Kommentaren auch vorwerfen, mich dazu nicht äußern zu dürfen? Wird eine Debatte abseits des eigentlichen Themas entstehen?
Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion der Meinungen um den richtigen Weg*. Aber nicht nur Demokratie lebt davon, so ziemlich jedes Thema tut es. Es gibt durchaus einen Grund, warum Entwickler immer häufiger die Spieler schon früh in der Entwicklung mit einbeziehen. Viele Meinungen treffen aufeinander, für den Entwickler entsteht eine Wand voller verschiedener Ansichten. Man sieht, was andere aus einem völlig anderen Blickwinkel von dem Spiel halten. Und aus diversen Ideen lässt sich ein Kompromiss finden, der (hoffentlich) alle Spieler zufrieden stellt. Sozusagen die goldene Mitte finden.
Schweigen ist keine Option
Bleibt man in seiner Blase - in diesem Falle in seinem Büro, wo das Spiel entwickelt wird - und lässt keine anderen Meinungen zu, so kann, muss aber nicht, ein Spiel entstehen, welches vielleicht in den eigenen, durchaus auch etwas voreingenommenen Augen, ziemlich gut ist, aber bei dem Kunden für wenig Begeisterung sorgt.
Ebenso ist es auch in der Politik. Und bei Millionen, Milliarden Menschen kann und darf man nicht davon ausgehen, dass alle geteilter Auffassung über ein Thema sind. Welche Gründe sie auch haben. Man muss aufeinander zugehen und gemeinsam eine Lösung finden. Dabei darf man auch mal streiten, diskutieren und die Fetzen fliegen lassen. Aber am Ende muss man einen Weg finden, der für die gesamte Gemeinschaft von Nutzen ist. Nicht nur für einen Einzelnen. Doch das Vergessen nicht nur Politiker, weshalb wir eine unfassbar große Politikverdrossenheit in Deutschland haben - sondern auch der Demos in der Demokratie. Der Mensch. Der Wähler.
Meinungen sind unterschiedlich, aber deswegen möglichst Meinungskonform zu formulieren? Bloß keinen aufstacheln und vor allem niemanden gegen sich aufbringen? Das ist Verstecken vor einer vielleicht unbequemen Wahrheit. Oder der Wunsch als Leser, bloß in seiner Filterblase zu verharren. Von der "Welt da draußen" nichts zu wissen. Doch hat die "Welt da draußen" zu viel Einfluss auf unsere eigene, virtuelle Welt, als dass Schweigen eine Option ist. Dabei kann eine Diskussion sogar wertvolle und neue Informationen für einen zutage bringen. Eine neue Erkenntnis, vielleicht die Demut einzugestehen, dass man falsch lag. Aber auch die Gewissheit, gemeinsam etwas gelöst zu haben.
Und wenn nun zum Beispiel ein Kollege bei der GameStar in einer Far Cry 5 Preview das Thema Trump erwähnt, dann ist das mehr als berechtigt. Denn dass Far Cry 5 eindeutig starke gesellschaftliche Kritik übt, ist nicht zu übersehen. Und dann haben wir auch noch den Amoklauf in Florida, welcher die Diskussion um eine Verschärfung des Waffenrechts neu entfacht. Dann ist es nicht falsch, es zu erwähnen. Es wäre vielmehr falsch, es nicht zu erwähnen.
Dabei ist auch unerheblich, welche persönliche Meinung man dazu trägt. Vielleicht bist genau Du der Meinung, dass eine Entschärfung des Waffenrechts einen positiven Effekt hätte. Oder aber Du bist der Meinung wie die der Schüler, dass man deutlich striktere Gesetze umsetzen müsste. Und vielleicht ist dann genau jetzt der richtige Zeitpunkt, darüber zu diskutieren. Denn jeder Amoklauf wird auch immer einige Politiker den Finger auf unsere Szene richten lassen und sagen "Ihr seid schuld, eure gewalttätigen Spiele sind schuld. Ihr bringt Mörder hervor". Und keiner von uns beiden will das. Wir sind am Ende alle Gamer und Menschen.
*Abwandlung des Zitates von Richard von Weizsäcker: "Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg."